Erster Eindruck
Mama, das ist Elke, sagte Klaus mit leichtem Verlegenheitslächeln, als er die junge Frau mitten in der Nacht bei sich einführte.
Guten Abend, erwiderte Helga und musterte die unerwartete Besucherin missmutig. Welch charmante Uhrzeit für Vorstellungen! Fünf vor zwölf, buchstäblich.
Ich hab Klaus doch gesagt, es ist zu spät, verteidigte sich Elke sofort. Aber hört der? Ein richtiger Dickkopf!
Gut gespielt, dachte Helga verbittert. Sie rechtfertigt sich und malt ihn als Tyrannen. Nicht besonders sympathisch, dieses Mädchen.
Kommt rein, seufzte sie und verschwand wortlos im Schlafzimmer.
Was blieb ihr auch übrig? Ihren einzigen Sohn mitten in der Nacht rauswerfen? Wegen einer Fremden? Wenn sie zusammenleben wollten, bitte. Eine Mutter ist da, um ihren Sohn zu beschützen und ihm notfalls die Augen zu öffnen. Das würde Helga schon erledigen. Klaus würde seine Freundin schneller loswerden, als er Pfalz sagen konnte. Und er würde noch erleichtert sein!
Die ganze Nacht brütete Helga über Plänen, Elke aus der Wohnung zu ekeln.
Nein, gegen eine Heirat hatte sie nichts. Mit dreißig war es Zeit, dass Klaus eine Familie gründete.
Aber nicht mit ihr!
Erstens war sie viel jünger. Ein klarer Fall von Jugend kennt keine Tugend.
Eine Ehefrau? Eine Mutter? Eine Hausherrin? Diese Luftpumpe?
Zweitens sprach ihr Verhalten Bände: mitten in der Nacht auftauchen, ohne sich zu entschuldigen! Und dann noch ihren Engel von Sohn grundlos beschuldigen
Und dann war sie auch noch geblieben!
War das eine Ausnahme oder Gewohnheit?
Kurzum: Helga mochte sie nicht.
Also würde Klaus sie bald auch nicht mehr mögen.
Wozu die Mühe? Der Plan erübrigte sich. Elke bot ihr selbst genug Gelegenheiten, die Sache zu regeln.
Der erste Warnschuss fiel am Morgen.
Sie blockierte das Badezimmer eine volle Stunde.
Klaus lief wie ein gereizter Bär durch die Wohnung.
Schatz, was ist? fragte Helga honigsüß. Das Mädel will sich hübsch machen für dich
Aber ich muss zur Arbeit!
Dann klopf doch, erklär ihr, dass sie nicht allein hier wohnt, schlug seine Mutter vor.
Das wär peinlich, murmelte er. Sprechen wir später. Und du, Mama? Kommst du nicht zu spät?
Ich? Nein. Bin längst fertig. Hier, ich habe Pfannkuchen gemacht. Friss was.
Ich war noch nicht mal duschen!
Machs später. Jetzt nimm erstmal Kraft zu dir.
Klaus setzte sich.
In dem Moment erschien Elke, das Haar im Handtuch, strahlend wie ein Milka-Kuhbild.
Endlich! rief Klaus und stürzte zum beschlagenen Spiegel.
Er wusch sich im Eiltempo, rasierte sich in Rekordzeit, verschlang einen Pfannkuchen in drei Bissen und warf auf dem Weg zur Tür hin:
Bis heute! Hoffentlich versteht ihr euch.
Klaus! rief Elke. Wir wollten doch meine Sachen holen.
Machen wir. Heute. Langweil dich nicht! Seine Stimme hallte bereits im Treppenhaus.
Helga schloss die Tür, drehte sich zu Elke und fragte scharf:
Schämst du dich nicht?
Nein, lächelte die junge Frau. Sollte ich?
Klaus kommt jetzt wegen dir zu spät!
Wird er nicht. Er nimmt sicher ein Taxi. Keine Sorge.
Merk dir eins: Du bist nicht allein hier. Wenn du morgens eine Stunde baden willst, steh früher auf. Zum Glück hab ich heute frei.
Passiert nicht wieder, sagte Elke einfach. Entschuldigung.
Helga war sprachlos. Sie hatte auf Streit gehofft, und jetzt das
Na gut, brummte sie und ging ins Bad.
Der erste Anblick: Eine neue Zahnpastatube, obwohl die alte noch halbvoll war.
Elke, warum eine neue Tube?
Die mag ich lieber.
Dann bring gefälligst deine eigene mit! Und dein Shampoo!
Natürlich, Frau Schmitz
Und deine Handtücher!
Die bringe ich auch
Trotz aller Provokationen biss Elke nicht an. Sie nickte höflich, notierte sich jede Forderung.
Als Helga die Argumente ausging, wurde sie direkt:
Warum bist du hier?
Klaus und ich lieben uns
Natürlich liebst du ihn, so ein Junge! Aber ich frage mich: Was findet er an dir?
Das habe ich ihn nicht gefragt
Und deine Eltern?
Meine Mutter ist Näherin.
Und dein Vater?
Den gabs nie.
Aha. Vaterloses Kind. Und wie willst du eine gute Frau für meinen Sohn sein?
Ich gebe mein Bestes
Dein Bestes reicht nicht. Mein Sohn liebt dich nicht. Er bildet es sich nur ein. Ich kenn ihn! Er heiratet dich nie! Warum auch? Du liegst ihm ja schon zu Füßen.
Er liebt mich, flüsterte Elke mit brüchiger Stimme. Da bin ich sicher.
Du machst dir was vor. Glaubst du, du bist die Erste?
Nein aber das ist egal
Egal? In einer Woche hat er dich satt! Du bist nicht auf seinem Niveau! Von Intelligenz hast du wohl nie gehört?
Doch. Aber hier passt das Wort nicht.
Wieso?
Ich habe einen Uni-Abschluss.
Und? Hör zu, Mädel, geh nach Hause. Das hier ist nicht dein Platz. Ich versuchs seit heute Morgen, aber du willst nicht hören.
Gut, ich gehe. Aber was sagen Sie Klaus? Der wird nicht begeistert sein.
Nicht dein Problem! Verschwinde und komm nicht wieder. Du bist hier unerwünscht.
Helga erschrak selbst über ihre Härte. Solche Worte hätte sie sich nie zugetraut. Die Sätze purzelten einfach heraus.
Und Elke?
Die junge Frau sah sie an und verstand.
Ihre Mutter war eifersüchtig. Sie kannten sich kaum, und schon brodelte der Hass. Und das war erst der Anfang
Die Tür flog auf: Klaus kam früher zurück als erwartet.
Schon wieder? ärgerte sich Helga, die Elke eigentlich los sein wollte.
Ich hab mich freigemacht! rief er fröhlich. Hab gesagt, es geht um Familiendinge. Hörst du, Elke? Familie!
Welche Familie? knurrte Helga.
Wir melden unsere Partnerschaft an, dann holen wir ihre Sachen! Elke, mach dich fertig!
Helga spürte, wie ihr das Herz zusammenschnürte. Sie hatte nicht nur eine Schlacht verloren vielleicht hatte sie gerade ihre Chance auf Enkelkinder für immer verspielt.