„Ich musste mich erst daran gewöhnen, dass hier ein etwas informellerer Stil herrscht“
Kristina Larina, die Vorsitzenden des Jugendverbandes der Deutschen in Kasachstan, arbeitete im Rahmen ihres Parlamentsstipendiums drei Monate lang in einem Abgeordnetenbüro. Sie nimmt wertvolle neue Erfahrungen mit zurück nach Kasachstan.
Der Deutsche Bundestag vergibt jedes Jahr das Internationale Parlaments-Stipendien (IPS) an bis zu 120 Hochschulabsolventinnen und -absolventen aus 50 Ländern. In dem fünfmonatigen Programm lernen die Teilnehmenden die Arbeit des deutschen Parlaments aus nächster Nähe kennen. Für das Programm ausgewählt wurde dieses Jahr auch Kristina Larina. Sie kommt aus der deutschen Minderheit in Kasachstan und ist Vorsitzende des Verbands der Deutschen Jugend Kasachstans (VDJK). Andrea Polanski sprach mit ihr über ihre Erfahrungen im Internationalen Parlaments-Stipendium, die Arbeit im Bundestag und die Bedeutung des Austauschs für die deutsche Minderheit in Zentralasien.
Die Arbeit des Deutschen Bundestages mag für viele sehr komplex und schwer durchschaubar wirken. Du hast am Internationalen Parlaments-Stipendium teilgenommen und konntest fünf Monate lang die parlamentarische Arbeit im Detail kennenlernen – darunter auch ein dreimonatiges Praktikum in einem Abgeordnetenbüro. Ist die Arbeit des Bundestages wirklich so kompliziert, wie viele denken?
Ja, ich würde sagen, die Arbeit im Bundestag ist komplex, vor allem wegen der Fachsprache. Viele Begriffe waren für mich neu, da ich keinen Hintergrund in internationalen Beziehungen hatte. Am Anfang hatte ich außerdem große Angst, Fehler zu machen, was mich gehemmt hat. Als Praktikantin durfte ich vor allem kleinere Aufgaben übernehmen, etwa Bürgeranfragen oder organisatorische Tätigkeiten, und an vielen Veranstaltungen teilnehmen. Besonders spannend waren die Sitzungswochen, in denen wir die Debatten verfolgten und kommentierten. Rückblickend war es eine intensive Zeit voller neuer Eindrücke. Auch wenn die Arbeit anspruchsvoll war, habe ich sehr viel gelernt und einen einzigartigen Einblick in die Abläufe des Bundestages erhalten.

Foto: privat
Welchen Abgeordneten durftest du unterstützen und welche konkreten Aufgaben- und Arbeitsbereiche hattest du während deines Praktikums?
Mein Praktikum habe ich im Abgeordnetenbüro von Jörg Cezanne (Die Linke) absolviert, der Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestages ist. Für mich war das eine besondere Herausforderung, da Wirtschaft nicht mein Schwerpunkt war, gleichzeitig war es aber auch spannend, weil ich durch mein Studium der Finanzen eine gewisse Grundlage mitbringen konnte. Bevor das Praktikum begann, habe ich mich intensiv vorbereitet: Ich habe mich über die Partei informiert, Nachrichten verfolgt und mehr über meinen Abgeordneten und seine Interessen recherchiert. Im Büro wurde ich dann gleich zu Beginn gefragt, was ich gerne machen möchte. Ich habe vorgeschlagen, im Bereich Social Media zu unterstützen und auch bei verschiedenen Projekten mitzuhelfen. Zu meinen Aufgaben gehörten Bürgeranfragen, kleinere organisatorische Tätigkeiten sowie die Mitarbeit an Kommunikationsaufgaben.
„Besonders interessant fand ich, dass man im Bundestag mit einem einfachen Hausausweis Zugang zu vielen Bereichen hatte – etwas, das ich mir in Kasachstan so nicht vorstellen könnte.“
Kristina Larina
Besonders interessant fand ich, dass man im Bundestag mit einem einfachen Hausausweis Zugang zu vielen Bereichen hatte – etwas, das ich mir in Kasachstan so nicht vorstellen könnte. Auch die Arbeitsatmosphäre war spannend: In den Büros der Linken ging es eher locker zu, viele trugen Jeans und T-Shirts. Ich selbst hatte extra Business-Kleidung aus Kasachstan mitgebracht und musste mich erst daran gewöhnen, dass hier ein etwas informellerer Stil herrschte.
In Kasachstan engagierst du dich stark für die deutsche Minderheit. Konntest du dein Wissen und deine Erfahrungen aus der Minderheitenarbeit auch in den Bundestag einbringen?
Im Büro von Jörg Cezanne habe ich mit Kolleginnen und Kollegen über die Situation der deutschen Minderheit in Kasachstan gesprochen. Dabei habe ich festgestellt, dass die Linke dem Thema offen gegenübersteht, auch wenn die deutsche Minderheit in Kasachstan politisch eher Parteien wie CDU oder SPD unterstützt wird. Besonders gefreut habe ich mich über Begegnungen mit Bernd Fabritius und Natalie Pawlik. Außerdem konnte ich bei Zoom-Veranstaltungen in Kasachstan von meinen Erfahrungen im Bundestag berichten und den Austausch fördern. Mir ist es sehr wichtig, dass dieser Dialog weitergeführt wird. Denn neben den kulturellen Verbindungen spielen auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan eine große Rolle. Viele deutsche Unternehmen sind in Kasachstan aktiv, und die Region wird zunehmend als Brücke zwischen Zentralasien und Europa wahrgenommen.

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Was hast du aus den fünf Monaten in Berlin persönlich für dich mitgenommen – und wie möchtest du deine neuen Kenntnisse und Erfahrungen künftig in der Arbeit für die Deutschen in Kasachstan einsetzen?
Ich habe gelernt, dass man nie aufhören sollte zu lernen und Neues auszuprobieren. Umso stolzer bin ich, das anspruchsvolle Auswahlverfahren geschafft zu haben und zu den wenigen Teilnehmenden aus Kasachstan zu gehören. Besonders bereichernd war der Austausch mit engagierten jungen Menschen aus aller Welt – diese Kontakte bleiben bestehen. Für meine Arbeit in Kasachstan nehme ich mit, wie wichtig Vernetzung ist, und möchte andere junge Leute motivieren, ähnliche Chancen zu nutzen. Außerdem interessiere ich mich nun noch stärker für politische Themen, die ich in die Arbeit für die deutsche Minderheit einbringen will.
Wem würdest du die Teilnahme am Internationalen Parlaments-Stipendium empfehlen – und warum?
Das IPS richtet sich an junge Menschen bis 30 Jahre mit guten Deutschkenntnissen und abgeschlossenem Studium. Aber wichtiger als die formalen Kriterien ist der Gewinn: ein halbes Jahr internationale Erfahrung, Leben in Berlin und neue Kontakte. Für mich war es ein frischer Impuls, der meinen Horizont erweitert hat. Deshalb empfehle ich das Programm allen, die neugierig sind und über den eigenen Tellerrand hinausblicken wollen.